Dieses Mal im IT-founder Podcast:
Du kennst jemanden, der diesen Podcast hören sollte? Teile dein Wissen:
Kennst du schon Boatoffice? Homeoffice war in den letzten Monaten ständig ein Thema, doch was ist, wenn man sein gesamtes IT-Business auf ein Boot verlagert? Was sich total verrückt anhört, hat Tobias Streit mit seiner Rockbox-Internetagentur umgesetzt. Wie und warum, das erzählt er uns in diesem Interview.
Ortsunabhängig arbeiten – vom Segelboot aus
Diesmal sprechen wir von IT-Tobi zu IT-Tobi, doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Tobias Streit arbeitet und lebt von einem Segelboot aus. Er und seine Freundin haben es geschafft, das gemeinsame Business so ortsunabhängig zu gestalten, dass sie von dort aus arbeiten können, wo sie anlegen. Zusammengefasst könnte man sagen, die beiden sind die Gewinner der Krise, denn Corona hat ihren ursprünglichen Plan in etwas Großartiges verwandelt:
„Wir haben vor drei Jahren diese Reise geplant und sind vor zwei Jahren endlich in See gestochen. Unser Plan war, uns zwei Monate vor Ort in der Gastronomie in München zu Tode zu arbeiten, um dann zehn Monate reisen zu können. Sechszehn Stunden am Tag und das Geld praktisch ansparen dann. Wir hatten keine großen Reserven, keinen Reichtum oder irgendwas. Naja und dann kam im März der Lockdown, der uns in Spanien hart erwischte und als klar war, die Gastronomie kommt so schnell nicht wieder und das Geld wird knapp, da mussten wir uns Gedanken machen.“
Da Tobias vor rund 15 Jahren eine Agentur hatte und sich mit Webdesign auskannte, setzte er auf Verdacht wieder auf sein „altes“ Wissen. Statt hinzuschmeißen, konnte das Paar einen Glücktreffer landen und die spontane Überlebensidee führte zu einem lukrativen ortsunabhängigen Businesskonzept. Mittlerweile ist es den beiden möglich, vom Boot aus für ihre Kunden beispielsweise Webseiten zu gestalten und ihre Reisen dadurch zu finanzieren. „Corona hat uns eigentlich in die bessere Richtung geschickt“, resümiert Tobias heute nach über einem Jahr Boatoffice.
Von Hip Hop in die IT, mit der IT auf’s Boot
Der ursprüngliche Weg in die IT war purer Zufall. Als Hip Hop-Band vermieteten Tobias und seine damaligen Bandmitglieder ihr Tonstudio in den Zeiten, in denen sie es nicht nutzten. Die eigens erstellte Webseite brachte plötzlich ungeahnte Möglichkeiten: der Einzelhandel und irgendwann auch große Kunden wie RWE oder Daimler Chrysler interessierten sich auf einmal für die Web-Fähigkeiten der Jungs. Da das Internet noch nagelneu war zu dem Zeitpunkt, konnten sie mit einer Erklär-CD schließlich den Durchbruch verzeichnen, der mit ihrer Band ausblieb. Sie entwickelten eine CD, die Mitarbeitern in Unternehmen die Welt des Internet ganz einfach erklärte.
Doch mit den großen Kunden kamen auch die Schattenseiten: Das liebe Geld ließ auf sich warten, weil Unternehmen die Zahlungsziele anders setzten und von den scheinbar lukrativen Projekten blieben vorne vor in erster Linie riesen Zahlungen für Personal etc., die im Voraus geleistet werden mussten. So führte sein Weg Tobias schließlich in die Gastronomie: „Für mich war das mit dem Geld dort eine ehrlichere Geschichte. Wenn da jemand an die Theke geht und sagt ‚ein Bier‘, dann sage ich ‚3,50‘ und wenn er kein Geld hat, ist das Bier wieder weg. Aber da hast du halt täglichen Cashflow und musst nicht drei Monate auf dein Geld warten.“
Dass er heute mit seiner Freundin auf dem Boot zusammenarbeitet hatte zunächst den ganz pragmatischen Grund, dass es der einfachste Weg war. So konnten sie Julia am einfachsten ebenfalls mit Arbeit versorgen, ohne das Rad neu zu erfinden. Mittlerweile ergänzen die beiden sich hervorragend, er kämpft an vorderster Front und sie kümmert sich um Design und die SEO-Tauglichkeit der Texte. Die Fachgebiete erstrecken sich von Onepagern über Online-Shops, spezialisiert haben sich Tobias und Julia dabei auf WordPress.
Thematisch ist das Paar frei in seiner Webarbeit, Tobias achtet lediglich darauf, dass die Projekte abgeschlossen sind: „Ich suche mir Projekte aus, die wirklich abgeschlossen sind. Durch die Reisen muss ich den Kunden halt auch sagen, dass wir keinen 24/7-Support anbieten können. Es kann ja einfach sein, dass wir sagen, wir fahren nächsten Monat über den Atlantik und ich bin für drei Wochen nicht erreichbar – das muss man halt auf jeden Fall vorher abklären.“
Oft trifft Tobias bei seinen Kunden damit aber eher auf Neugier und Verständnis, als auf Ablehnung. Er erzählt mir, dass die erste halbe Stunden von Kundengesprächen oft erstmal das Segeln und den aktuellen Aufenthaltsort behandelt und die Akzeptanz für Arbeit aus dem Homeoffice durch Corona rapide gestiegen ist. Auch die Arbeit auf dem Boot an sich gestaltet sich unkomplizierter, als viele denken. Der größte Vorteil für Tobias: Das Internet ist überall anders besser und meistens sogar billiger als in Deutschland. Einmal angelandet, kann man oft im nächsten Kiosk für vergleichsweise „ein paar Euro“ eine Prepaidkarte mit 40 GB Traffic kaufen. Für ein solides Grundsetup empfiehlt er einen Router samt Antenne.
Was hast du zu verlieren?
Auf meine Frage, was Tobias anderen Träumern rät, hat er mir folgendes geantwortet: „Einfach mal machen. Das hört sich immer so einfach an, aber es ist ja auch einfach. Probier es einfach aus, schnapp dir deinen Rucksack, deinen Camper, such dir eine Berghütte, es muss ja nicht gleich das Segelboot sein. Probier es aus und im Zweifelsfall kannst du schnell wieder nach Deutschland kommen, falls es nicht klappt. Je nachdem kannst du auch hingehen und mit deinem Arbeitgeber sprechen, wenn du bisher schon das Jahr im Homeoffice warst und alles geklappt hat, ob ihr das nicht weiterführen könnt. Vielleicht klappt das nicht zum vollen Gehalt, aber vielleicht gibt es Projekte, die du von unterwegs aus machen kannst. Ansonsten ist ein kleines Budget immer von Vorteil.“
Auch ein nützlicher Hack aus Tobias‘ Sicht: Augen offen halten. Wenn du unterwegs bist und vielleicht einen Tauchschein machen willst und siehst, die Schule hat keine Webseite. Schlag der Tauchschule als Tauschgeschäft vor, dass du ihre Webseite machst und im Gegenzug nichts für den Schein bezahlst. So hast du auch direkt eine gute Referenz, mit der du bei anderen Tauchschulen anklingeln kannst. Trotz all dem Optimismus hat aber auch Tobias schon Lehrgeld bezahlen und seiner Kohle hinterherlaufen müssen, aber dennoch ist sein Glas immer halb voll: „Wenn du zu pessimistisch bist, wird’s echt schwierig, dich da zu bewegen, zu gründen, ins Ausland zu gehen. Du musst da schon positiv eingestellt sein.“ Was ihm zusätzlich in schlechten Situationen hilft, ist der Glaube an Karma.
Freizeit statt Zwang, Leben statt Stress
Aufgrund der anfänglichen Geldknappheit hat er sich anfangs noch unter Wert verkauft um „Hauptsache überhaupt Einnahmen zu haben“, mittlerweise arbeitet Tobias erfolgreich als Subunternehmer für Agenturen in aller Welt. Seine Anfangszeit bereut er jedoch nicht, denn die zunächst günstigen Arbeiten verschafften ihm dennoch positive Bewertungen und Folgeaufträge. Tobias großer Wunsch ist, selbst irgendwann ins Delegieren zu kommen und einzelne Aufgaben an andere Freelancer weiterzugeben. Aktuell nutzen die beiden die „verwöhnte“ Auftragslage aber erst noch voll aus:
„Wir sind auf einer Reise, ich bin nicht aus München weggegangen, um zu arbeiten. Wir wollen uns die Welt ansehen. Ich begrenze mich da schon selber ein bisschen, weil ich dann halt sage, wir haben jetzt einen guten Auftrag gehabt, das Geld reich jetzt wieder für den nächsten Monat. Ich hänge mich dann lieber in die Hängematte und halte die Angel raus. Wir nehmen dann lieber eine Woche Auszeit und machen eine Inseltour.“
Kein Stress und das Unternehmenswachstum muss sich den Gegebenheiten anpassen, so lautet der Grundsatz. Dabei lassen die beiden jedoch den Puffer für Reparaturen und Fixkosten nicht außer Acht. Auch die Altersvorsorge muss natürlich berücksichtigt werden. Aber außerdem? Spielt der Freizeitfaktor eine sehr große Rolle. Tobias ist zudem sehr froh, dass die Auftragslage ihm erlaubt, sich seine Projekte auszusuchen. Wenn die Kommunikation nicht passt oder er mit dem Kunden bei der Arbeitsweise nicht übereinstimmt, sagt er lieber ab.
Von Piraten und weisen Worten
Die Segelreise kannst du übrigens im Internet verfolgen, ich verlinke dir den Blog unten. Dass es ein Segelboot wird, war aber purer Zufall, wie Tobias mir erzählt: Ursprünglich war er mehr so der klassische T3-Camper, doch diese Idylle ging aus verschiedenen Gründen schief. Der Vater seiner Freundin hat beide schließlich darauf gebracht, es mit einem Boot zu versuchen. „Wenn ihr zu doof seid, mit dem Auto Richtung Osten zu fahren, wollt ihr’s nicht mal mit einem Segelboot Richtung Westen probieren?“, waren die nicht ganz ernst gemeinten Worte des „alten Piraten“, wie Tobias ihn liebevoll nennt. Tatsächlich hat der „alte Pirat“ Tobias und Julia dann auch noch die Grundlagen beigebracht und sie sogar ein Stück weit begleitet.
Hast du noch einen abschließenden Tipp an meine Hörer?
„Ja, also erstens, was ich immer sage, ist grundsätzlich immer ehrlich zu sein, das vermisst man oft. Einfach mal dem Kunden sagen, das geht nicht oder ich weiß es nicht. Ich muss mich erst nochmal informieren. Also das ist einfach wichtig und da ist auch keiner böse. Ja und wenn man wirklich den Schritt wagt, man macht sich jetzt auf Reisen, dass man auf jeden Fall doch ein gewisses Polster oder zumindest mal so eine Route hat. Man sollte sich schon ein bisschen vorbereiten, dann geht man auch mit einem guten Gefühl in die Sache.“
Wenn du dich für die Segelreise interessierst oder gerne mit Tobias in Kontakt kommen möchtest, findest du ihn hier:
Tobias Streit auf LinkedIn: Tobias Streit – Gründer – ROCKBOX entertainment service e.K. | LinkedIn
Die Agentur: https://rockbox.de/
Der Reiseblog: https://www.lagertha.de/
Ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern und noch ganz ganz viel Erfolg mit deinem IT-Business!